Ortsverband Wolfratshausen

In Wolfratshausen wird ein Wunder geschehen: So war das Starkbierfest 2024

„Hoffentlich landet Wolfratshausen ned aufm Abstellgleis“: Mächtig ins Zeug legten sich am Freitag beim Starkbierfest in der ausverkauften Loisachhalle.
Die höchste Frotzel-Instanz in der Flößerstadt, die Loisachtaler Bauernbühne, las der Politprominenz beim Starkbierfest die Leviten. Das Singspiel traf den Nerv des Publikums.

Das Ende des Faschings markiert den Beginn der Fastenzeit. 40 Tage ab Aschermittwoch gilt mit Blick auf Speis und Trank das Gebot der Zurückhaltung. Gott sei Dank fanden im Mittelalter findige Mönche einen Kniff, das Osterfest nicht gänzlich ausgemergelt feiern zu müssen. Weil „Flüssiges das Fasten nicht bricht“, brauten sie vor der Auferstehung Jesu besonders kalorienhaltigen Gerstensaft, das Starkbier, ein.

Genau dieses (alternativ eine Mass Helles, Radler oder Alkoholfreies) ließen sich am Freitag die 588 Besucher des Starkbierfests in der Loisachhalle munden. Ganz nach dem Geschmack der vielköpfigen Fachjury fiel das Derblecken der Politprominenz durch die Loisachtaler Bauernbühne (LBB) aus. Die Nägel auf die Köpfe traf die LBB insbesondere durch ihre pointierten Liedtexte.

Vor dem Höhepunkt erst das Vorspiel. Die Stadtkapelle mit Dirigent Reiner Jorde begrüßt die Gäste musikalisch, Klaus Heilinglechner zapft das erste Fass an. Beäugt von Bayerns Bierkönigin Mona Sommer gibt sich der Bürgermeister keine Blöße. Nach drei Schlägen ist der Durchbruch geschafft: „O’zapft is!“

Woher kommt eigentlich die Lederhose?

Fast acht Prozent Alkohol stecken im süffigen Festtagstrunk, für das Salz in der Suppe sorgt einmal mehr die LBB, seit Anfang der 1980-Jahre die höchste Frotzel-Instanz in der Flößerstadt. Das Derblecken 2024 unter dem Motto „Wolfratshausen – mächtig am Zug“, so viel sei vorweggenommen, zählt zur Kategorie Meisterklasse. Vor allem die Gassenhauer, deren Texte die LBB auf die Loisachstadt umgemünzt hat, treffen den Nerv der Starkbierfestgemeinde. „Wunder gibt es immer wieder“, (richtig, das versprach 1970 Katja Epstein!), singt das Publikum am Ende des 45-minütigen Singspiels lauthals mit – „auch in Wolfratshausen werden sie gescheh’n.“ Und weiter im Text: „Wunder gibt es immer wieder, es geht bald was vorwärts, ihr werdet es schon seh’n.“

Vielleicht verlängere ich noch um sechs Jahre. Eigentlich ist es eh schon wurscht, ob ich mich daheim im Stall mit Rindviechern rumärgere – oder da herin mit diesen sturen Eseln.

Eine Dreiviertelstunde vor dem Schlussakkord bittet Moderator Ludwig Gollwitzer „alle Stadträte, sich ihre Mäntel in der Garderobe abzuholen, denn sie müssen sich jetzt warm anziehen“. Der Vorhang hebt sich und gibt den Blick auf den Wolfratshauser S-Bahnhof nebst Kiosk frei (Extralob für Kulissenbauer Max Prestel und sein Team). Bahnhofsvorstand Heilinglechner (Andreas Wastian) freut sich: „Freitag! Wieder eine Woche näher am Ruhestand!“ Noch zwei Jahre Dienstzeit liegen vor ihm. „Aber vielleicht verlängere ich noch um sechs Jahre. Eigentlich ist es eh schon wurscht, ob ich mich daheim im Stall mit Rindviechern rumärgere – oder da herin mit diesen sturen Eseln.“

Weichensteller Werner schwadroniert, für Bahnhofstechniker Eibl ist das „Fachchinesisch“

Bahnhofsvorsteher, Kioskbetreiberin Heinloth (Eva Zinnecker) und Bahnhofstechniker Eibl (Tom Janoschi) warten auf Touristen, die mit der S-Bahn in die Stadt anreisen, die laut Eigenwerbung „mächtig im Fluss ist“. Zum „Corporate-Design“-Konzept von Weichensteller Dr. Werner (Stefan Randi) gehört die riesige Reklametafel für den Bahnhofskiosk – in Regenbogenfarben. In Wolfratshausen, schwadroniert Werner, greifen „partizipative Projekte und Interkonventionen“. Für Bahnhofstechniker Eibl alles nur „Fachchinesisch“. Nicht „quatschen, sondern machen“, fährt er Werner an. Das Publikum applaudiert lautstark. Hoffentlich setzt Werner die Stadt aufs richtige Gleis – nicht dass Wolfratshausen auf dem Abstellgleis landet „oder dass mia no mehra ausgebremst werden“, so Eibl. Nicht bremsen lässt sich Signalgeber Dr. Lechner (Tobias Zengerle). Der installiert am tristen Bahnhof eine Webcam. Dank 24-Stunden-Livestream „kann jeder Bürger von zuhause aus sehen, ob ein Zug fährt oder nicht“.

Erste Klasse, nicht Holzklasse: Der Bahn-Chor traf mit seinen Texten ins Schwarze. Die Starkbierfestgemeinde stimmte vergnügt in die Lieder mit ein.

Der Chor der Deutschen Bahn (Carolin Wolf, Theresa Mockenhaupt, Stefan Schwellenbach und Patrick Laier), der singt, wenn er nicht gerade streikt, nimmt das Stichwort auf. Nach dem Rhythmus des Ballermann-Hits „Der Zug hat keine Bremse“, gibt das Quartett zum Besten: „Die Stadt, die Stadt, die Stadt braucht keine Bremser.“ Das Gros der Festgäste, das beweist der kräftige Beifall, ist derselben Meinung. Wagenbremser Forster (Michael Hanak) hält dagegen: Wenn die Wolfratshauser Liste bremse, dann nur den Stadtrat, bevor der „beim Geldverschwenden Vollgas gibt“. Eibl bleibt dabei: Die Wolfratshauser Liste sei eine „Dreifachbremse“: „Da Fleischa Manä is’ die Handbrems’, der Kugler Richi is’ die Fussbrems’ und Du, Helmut, stehst ois Bremsbock am End’ vom Gleis, dass ja koana vorbeikimmt.“

Ist die Flößerstadt tatsächlich so mächtig im Fluss, wie der neue Slogan verheißt? Die Touristengruppe (Sylvia Demmel, Ludwig Gollwitzer, Sophia Brauner, Lenny Lisy) will auf jeden Fall in den Märchenwald, um sich „das Parkhaus-Märchen“ anzuschauen. „Von dem haben wir nämlich schon viel gehört – aber noch nichts gesehen.“ Anders als Oma, Opa und deren Enkelkinder aufgrund einer ARD-Krimiserie fürchten, ist Wolfratshausen keine Hochburg des Verbrechens, beruhigt der Bahnhofsvorsteher die Ausflügler. Nur ab und an müsse die Polizei wegen einer Körperverletzung ausrücken: „Und die schaut dann so aus, dass es an Dr. Schmidt mit’n Radl über irgendeine Bordsteinkante geschmissen hat, weil er’s mit seine Ökolatschen einfach ned gscheit datret’n duad.“ Enttäuscht reagieren die Touristen, als sie erfahren, dass von der Wolfratshauser Burg, die sie unbedingt besichtigen wollen, „nur noch ein Loch und ein Gedenkstein“ zeugen. Und Flöße? Mit denen kann man nicht auf der Loisach durch die Stadt fahren, sondern sie nur im Museum bewundern. „Wie langweilig“, maulen die Enkelkinder.

 

Extra: Wie aus Tom Janoschi der Eibl Günther wird!

 

Quelle: Carl-Christian Eick – Isar-Loisachbote vom 04.03.2024